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Vom Ritualbad zum Wellness-Erlebnis - Eine Reise durch die Bädergeschichte

Die Entwicklung des Badewesens von den alten Ägyptern bis in die Neuzeit ist auch ein Spiegel der Gesellschaft und ihrer Bedürfnisse; ihre Höhepunkte gehen einher mit denen einer Kulturepoche.

Fans wohltuender Wellnessbehandlungen wissen wegen der gleichnamigen Anwendung, dass Kleopatra in Eselsmilch zu baden pflegte. Doch nicht nur der letzte weibliche Pharao verstand es, sich verwöhnen zu lassen.

Baderituale, die zunächst rituell-religiös waren, sich dann aber auch der Erholung und Schönheit widmeten, entwickelten sich allgemein im alten Ägypten. Speziell das Schwimmen erlangte anschließend in der griechischen Antike einen hohen Stellenwert. Denn es stand auf einer Stufe mit den Wissenschaften und avancierte sogar zum Auswahlkriterium beim Besetzen öffentlicher Positionen. Galt es hier noch, diese Disziplin im kalten Wasser zu absolvieren, erfanden die Römer mit ihren beheizbaren Anlagen ab 100 v. Chr. einen wesentlichen Wohlfühlfaktor, nachdem bereits 300 Jahre zuvor ihre Soldaten eine Schwimmausbildung absolvieren mussten, um beim Durchqueren von Flüssen nicht zu ertrinken.

So genannte "Balnea" dienten in Wohngebieten, am Rand kommerzieller Zentren sowie nahe Straßen- und Verkehrsknotenpunkten zur täglichen Reinigung und Körperhygiene. Parallel entstanden große, repräsentative "Thermae", die aus Prestigegründen immer prachtvoller wurden. In beiden basierte der typische Ablauf eines Besuchs auf vier Bausteinen, die medizinisch-balneologisch und funktional perfekt aufeinander abgestimmt waren: körperliche Aktivität, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, wechselwarme Anwendungen mittels temperierter Luft oder Wasser, Körperbehandlungen wie Massagen zum Lösen von Verspannungen sowie eine abschließende Ruhephase für Körper und Geist.

Eine Fortführung dieses "enorm hohen Entwicklungsstandes", der laut Dr. Stefan Kannewischer vom Verständnis her mit dem heutigen Stand zu vergleichen ist, fand das Badewesen nach dem Niedergang Roms vorerst nur im Byzantinischen Reich und der osmanischen Türkei mit Hamams, die wieder einen eher religiös-rituellen Charakter besaßen.

Im Vergleich dazu eher bescheiden erlebte das Badewesen in Westeuropa während des Mittelalters eine Renaissance. Inspiriert von ihren Feldzügen in den Nahen Osten installierten Kreuzritter Badestuben auf ihren Burgen; in Städten etablierten sich öffentliche Varianten, wo nicht nur das stundenlange Verweilen im Wasser im Mittelpunkt stand. Außerdem wurde dort gegessen, getrunken, weiteren Sinnesfreuden gefrönt und allerlei Beschwerden von Badern behandelt, die massierten, schröpften und sogar kleinere chirurgische Eingriffe vornahmen.

Ausgebremst wurde dieser Boom aus Angst vor ansteckenden Krankheiten wie Pest und Syphilis, die sich in Gemeinschaftsbecken leicht verbreiteten, sowie durch die steigenden Holzpreise, als dieser natürliche Brennstoff immer knapper und somit teuer wurde. Danach besaß das Baden rund 200 Jahre lang eine so schlechte Reputation, dass sogar Schloss Versailles als Wohnsitz des Sonnenkönigs Ludwig XIV weder über fließendes Wasser noch fest installierte Toiletten verfügte.

Erst im 18. Jahrhundert entstanden in Europa allmählich Fluß- sowie Seebäder. Im 19. nahm das Kurwesen seinen Aufschwung, zu dem außer Trinkkuren auch balneologische Therapien u.a. in mondänen Orten wie Baden-Baden, Bad Kissingen oder Montecatini Terme gehörten. Private Unternehmer investierten in größeren Städten wie Wien oder Baden-Baden nach Budapester Beispiel in luxuriöse Wannen- und Salonbäder, die sich genauso der Körperreinigung wie der Erholung und Unterhaltung eines breiten, bürgerlichen Publikums widmeten.

Anlaufstelle explizit für jedermann wurden ausgehend von England ab 1840 öffentliche Badeanstalten, die das allgemeine Hygieneverhalten verbessern sollten und auch in Deutschland fast ausschließlich von Staatsseite betrieben und subventioniert wurden. Als um 1920 immer mehr Wohnungen und Häuser Badezimmer bekamen, trat der Reinigungsaspekt in den Hintergrund. Dafür wurde der sportlichen Ertüchtigung mehr Bedeutung zugemessen, wobei es bis in die 1970er Jahre blieb.

Angepasst an veränderte Bedürfnisse entstand anschließend das Spaß- und eine Dekade später das Freizeitbad als Mischform aus Sport- und Spaßbad. Auch bei den Thermalbädern, die jahrzehntelang rein rehabilitationsorientierte Anlagen gewesen waren, setzen sich ab Mitte der 1980er Jahre neue Tendenzen durch. Zunächst hielt dort die Idee der Prävention Einzug, dann auch ein wachsendes Wellness-Angebot.

Paradebeispiel für diese Kombination ist die 1985 eröffnete Caracalla-Therme in Baden-Baden mit dem Slogan "Gesundes Baden, das Freude macht." Als allumfassender Misch-Typ kamen um die Jahrtausendwende Thermen oder gar Wellness-Malls hinzu, die Baden, Fitness, Sauna, Therapie, Schönheit, Gastronomie und mittlerweile auch Hotels in einer Anlage zusammenfassen. Resultat ist vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine breitgefächerte Bäder-Landschaft: Für die Abdeckung in der Fläche sorgen wohnortnahe Sportbäder, in denen Schwimmen gelernt und trainiert wird. "Herausforderung hier ist es, den großen Bestand zu erhalten und zeitgemäß zu sanieren", so Dr. Stefan Kannewischer. "Schließungen werden vor allem in die Jahre gekommene Freibäder betreffen, die aus wirtschaftlichen Gründen für einen Ganzjahresbetrieb mit Hallenbädern zusammengelegt werden sollten." Freizeitbäder mit einem Einzugsgebiet bis zu einer halben Stunde bieten über das Sportbad hinaus Angebote für Familien wie Rutschen, Kinder- und Sprudelbecken.

Bis zu einer Stunde Anfahrt nehmen Thermen-Gäste in Kauf, die bei ihren Besuchen immer mobiler und anspruchsvoller werden. Reise-Entscheidungen hängen daher immer häufiger vom Vorhandensein einer attraktiven Therme ab, so dass sich ein regelrechter Thermen-Tourismus entwickelt. Summa summarum lasse sich feststellen, dass die Höhepunkte des Badewesens von den Ägyptern bis in die Neuzeit immer mit den Höhepunkten einer Kulturepoche einhergingen. "Strebt der Mensch zunächst danach, seine physiologischen Bedürfnisse zu befriedigen, wird ihm mit zunehmendem Wohlstand irgendwann die Selbstverwirklichung wichtig. Dieser egozentrische Prozess geht einher mit einem regelrechten Schönheitskult. Und wo könnte man diesem besser huldigen als in einer Therme oder Wellness-Mall?"